Absichtserklärung, Letter of Intent (LOI), Term Sheet, Vorvertrag: Bedeutung, Aufbau, Praxistipps - YouTube

Channel: Beyond Return

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Absichtserklärung, Letter of Intent, Memorandum of Understanding, Head of Terms, Term Sheet
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und Vorvertrag: Die Wirtschaftspraxis hat viele Begriffe für das, was häufig neben
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einem NDA der erste Meilenstein auf dem Weg zu einer bedeutenden Geschäftsbeziehung ist.
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Was genau sich rechtlich dahinter verbirgt und worauf Sie achten sollten, wenn Sie Ihr
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vorvertragliches Dokument verhandeln, das zeige ich Ihnen in diesem Video.
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Let’s go beyond return!
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[Beyond Return Intro] Und damit herzlich Willkommen zu einer neuen
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Ausgabe von Beyond Return!
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Mein Name ist Fabian Arhelger, ich bin Rechtsanwalt in Frankfurt am Main, spezialisiert auf Unternehmens-
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und Finanzierungsrecht, und berichte hier auf Beyond Return regelmäßig über spannende
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Themen aus der Finanz- und Geschäftswelt.
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Wenn Sie also mit beiden Beinen im Wirtschaftsleben stehen, empfehle ich Ihnen, diesen Kanal zu
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abonnieren.
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Wenn Sie diesem Kanal bereits länger folgen, wissen Sie: Bedeutende Geschäftsabschlüsse
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und Transaktionen sind immer das Ergebnis verschiedener Einzelschritte: Zunächst wird
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häufig eine Vertraulichkeitsvereinbarung, Englisch: Non-Disclosure Agreement, oder kurz
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NDA, abgeschlossen.
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Die hatte ich in einem früheren Beitrag bereits ausführlich vorgestellt.
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Danach sehen Sie sich den Geschäftsgegenstand im Zuge einer Due Diligence genauer an und
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setzen schließlich eine Absichtserklärung oder ein Term Sheet auf.
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Wie so oft gilt auch hier: Absichtserklärung ist nicht gleich Absichtserklärung und Term
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Sheet ist nicht gleich Term Sheet: Die Bandbreite reicht hier aus juristischer Sicht von nicht
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bindenden, weichen Protokollen bis hin zu bindenden, klagbaren Vorverträgen, die auf
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den zwingenden Abschluss eines Hauptvertrages gerichtet sind.
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Absichtserklärungen und Term Sheets sind zunächst einmal im deutschen Recht kein feststehendes
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Rechtsinstitut, sondern eine reine Schöpfung der Wirtschaftspraxis.
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Deshalb können Sie Ihr Dokument letzten Endes auch bedenkenlos nennen, wie Sie möchten:
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Letter of Intent (LOI), Memorandum of Understanding (MOU), Head of Terms, Term Sheet, Gesprächsprotokoll,
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Gemeinsames Verständnis, Vorfeldvereinbarung, Vorvertrag - diese Liste lässt sich endlos
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fortsetzen.
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Nach meiner Erfahrung werden Absichtserklärungen in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle
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lediglich mit dem Ziel abgeschlossen, Gesprächsergebnisse festzuhalten und gerade noch keine rechtliche
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Bindungswirkung zu erzielen.
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Es geht also normalerweise eher darum, den Fortschritt einer möglichen Geschäftsbeziehung
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im Sinne einer Interessensbekundung zu forcieren.
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Doch Vorsicht: Ausnahmen bestätigen die Regel.
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Ob eine rechtliche Bindungswirkung erzielt wird, ist nach deutschem Rechtsverständnis
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(erstens) nach dem Gesamtkontext des Dokuments und (zweitens) für jeden Satz und jede Passage
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einzeln auszulegen.
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So gibt es in der Praxis Fälle, in denen (juristisch nicht oder schlecht beratene)
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Verhandlungspartner ein Dokument als "Vorvertrag" bezeichnen, die Einzelauslegung jedoch ergibt,
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dass keine rechtliche Bindungswirkung gewollt ist.
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Beispiel: Das Dokument ist zwar als Vorvertrag betitelt, enthält aber einen sogenannten
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Untersuchungs- und Dokumentationsvorbehalt, wonach es zu einem Hauptvertrag nur dann kommen
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soll, wenn die Due Diligence zur Zufriedenheit der beiden Parteien abgeschlossen werden konnte
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und eine marktübliche Übereinkunft erreicht wird.
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Dieser Vorbehalt ist derart weich, dass er im Wesentlichen die Bindungswirkung des Dokuments
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zerstört, auch wenn es verheißungsvoll als "Vorvertrag" bezeichnet wurde.
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Gleichzeitig bergen solche verwirrenden Vertragswordings immer die Gefahr einer allgemeinen zivilrechtlichen
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Schadensersatzhaftung und langwierigen Gerichtsprozessen.
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Anders herum gibt es aber auch vielfache Beispiele aus der Rechtsprechung, in denen ein als bloße
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Absichtserklärung betiteltes Dokument tatsächlich klagbare vertragliche Ansprüche begründet
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hat.
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Okay, was sollten Sie bei der Verhandlung Ihrer Absichtserklärung vor diesem Hintergrund
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beachten?
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Zunächst einmal sollten Sie sich immer darüber bewusst werden, inwieweit Sie eine rechtlich
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relevante Bindungswirkung erzielen möchten.
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Das Schlüsselwort ist hier "inwieweit": So macht es in vielen Fällen Sinn, dass zwar
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keine Pflicht zur Eingehung des Hauptgeschäfts vereinbart wird, dafür aber bindende Annexklauseln
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zur Regelung der vorvertraglichen Rahmenbedingungen aufgenommen werden.
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Einige typische Annexklauseln sehen Sie hier unter Buchstabe A.:
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(Erstens) eine Exklusivitätsklausel.
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Danach vereinbaren die Parteien, für einen bestimmten Zeitraum beziehungsweise bis zu
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einem offiziellen Verhandlungsabbruch das betreffende Geschäft, beispielsweise einen
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Unternehmensverkauf, eine Technologielizenz oder eine gewerbliche Miete, nur exklusiv
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zu verhandeln, also solange nicht mit Dritten beziehungsweise anderen Interessenten zu sprechen.
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(Zweitens) eine sogenannte Break-up Fee (oder manchmal auch Break Fee).
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Danach zahlt eine Partei der anderen Partei eine bestimmte Strafsumme, falls sie die Verhandlungen
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innerhalb eines bestimmten Zeitraums ohne wichtigen Grund abbricht.
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Alternativ können Sie auch vorsehen, dass die abbrechende Partei der anderen Partei
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ihre Kosten ersetzen muss; das hat allerdings immer den großen Nachteil, dass das hinterher
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zu Streitigkeiten führen kann, nämlich darüber, welche Kosten nun zu ersetzen sind.
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Stellen Sie sich etwa vor, die Gegenseite hat bereits fröhlich eine Infanterie aus
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Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern und Anwälten beauftragt und schickt Ihnen jetzt eine horrende
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Rechnung.
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Das können Sie umgehen, indem Sie gleich eine Pauschale vorsehen.
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Und damit kommen wir zu (Drittens): Abwerbeverbote und Wettbewerbsverbote.
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Danach dürfen die Parteien im Zuge der Vertragsverhandlungen erlangte Informationen nicht wettbewerbswidrig
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einsetzen und keine Mitarbeiter abwerben, häufig auch mit ihren englischen Begriffen
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als Non-Compete und Non-Solicitation bezeichnet.
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Falls Ihr Unternehmen eine große Organisation ist, bei der nicht auszuschließen ist, dass
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doch einmal ein Mitarbeiter der Gegenseite zu Ihnen wechselt, können Sie, was die Non-Solicitation
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angeht, mit der Blacklisting-Methode arbeiten, also das Abwerbeverbot auf eine Liste von
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wichtigen Schlüsselpersonen begrenzen.
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Allen diesen Annexklauseln ist gemeinsam, dass sie selbstverständlich rechtliche Bindungswirkung
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haben sollen; andernfalls würden sie wenig Sinn machen.
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Das erreichen Sie, in dem Sie explizit vorsehen, dass bei Verstoß gegen diese Annexklauseln
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Ansprüche auf Schadensersatz und Aufwendungsersatz entstehen oder eine Vertragsstrafe verwirkt
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sein soll.
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Bezüglich derjenigen Passagen, für die gerade keine rechtliche Bindungswirkung bezweckt
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ist, also etwa die über die Eingehung des möglichen Hauptgeschäfts, sollte (genau
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andersherum) unmissverständlich klargestellt werden, dass insoweit kein Rechtsbindungswillen
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besteht und sich die Parteien die Eingehung des Hauptvertrages vollumfänglich offen halten.
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Das können Sie beispielsweise mit dem folgenden Wording erreichen: "Except for clauses Exclusivity,
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Non-Solicitation, Non-Compete and Break-up Fee, this Letter of Intent shall not be legally
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binding and, in particular (but not limited to), does not create any obligation upon the
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Parties to enter any further agreement."
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Zum Schluss möchte ich Ihnen noch kurz einen praxisbewährten Aufbau für einen Letter
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of Intent vorstellen.
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Erstens: Beschreibung von avisiertem Hauptgeschäft und Verhandlungsstand.
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Hier sollten Sie den Gegenstand des Hauptgeschäfts sowie den aktuellen Verhandlungsstand genauestens
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festhalten.
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Erfahrungsgemäß lohnt es sich auch langfristig, hier bereits sehr detailliert zu arbeiten,
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weil Sie diese Passage dann auch später immer wieder bei der Erstellung weiterer Dokumente
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heranziehen können, etwa für deren Präambel.
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Zweitens: Festlegung des weiteren Ablaufs.
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In meiner Praxis hat es sich bewährt, wenn Sie gleich einen vorläufigen Projektplan
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mit aufnehmen.
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Das kann entweder ausformuliert in der Präambel der Absichtserklärung passieren oder auch
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unter Verweis auf eine Anlage, die einen Gantt-Chart oder ähnliches enthält.
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Auf diese Art und Weise machen Sie die Absichtserklärung zu einem Kernpapier des weiteren Prozesses,
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auf das Sie immer wieder zugreifen und sich auch darauf berufen können.
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Drittens: Vertraulichkeit.
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Haben Sie vorher noch keine Vertraulichkeitsvereinbarung geschlossen, empfiehlt es sich, sie spätestens
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jetzt in die Absichtserklärung einzubauen.
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Existiert demgegenüber bereits ein NDA, können Sie einfach in der Präambel der Absichtserklärung
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hierauf Bezug nehmen und klarstellen, dass das NDA fortgelten soll.
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Wenn Sie sich näher für das Thema Vertraulichkeitsvereinbarung beziehungsweise Non-Disclosure Agreement (NDA)
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interessieren, kann ich Ihnen übrigens mein Video zum Thema empfehlen, das ich Ihnen unten
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in der Beschreibung zu diesem Video verlinke.
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Viertens: Term Sheet Bausteine.
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Sollten Sie Ihrer Absichtserklärung eher den Charakter eines Termsheets geben wollen,
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können Sie weiterhin Klauseln aufnehmen, die bereits die ökonomischen und rechtlichen
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Grunddeterminanten des Hauptvertrages vorwegnehmen, etwa bei M&A-Transaktionen den Modus der Kaufpreisberechnung,
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bei IP-Lizenzen oder Technologietransfer den Modus der Berechnung einer künftigen Lizenzvergütung
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oder bei Beteiligungsverträgen im Private Equity und Venture Capital-Bereich die Eckdaten
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der Investition und die künftigen Kräfteverhältnisse im Unternehmen.
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Dabei ist es üblich, vorweggenommene Kernpunkte unter einen Due Diligence- und Dokumentationsvorbehalt
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zu stellen; also eine Lösung hiervon offen zu halten, sollten im Rahmen der Due Diligence
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oder der Hauptverhandlungen bislang nicht bedachte Umstände zu Tage treten.
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Übrigens: Falls Sie sich näher für die einzelnen typischen Klauseln bei Private Equity
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und Venture Capital interessieren, kann ich Ihnen meine gleichnamige Serie hier im Kanal
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empfehlen, in der ich ausführlich darauf sowie auf die Besonderheiten des Termsheets
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bei Equity-Finanzierungen eingehe.
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Und damit kommen wir zu Fünftens: Den Annexklauseln.
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Hier nehmen Sie je nach Gusto die eben bereits angesprochenen Klauseln Exklusivität, Break
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Fee, Non-Compete und Non-Soliciation auf.
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Ferner können Sie in diesem Teil 5 auch alles das regeln, was Sie sonst so regeln möchten,
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beispielsweise Informationspflichten, einen generellen Dokumentationsvorbehalt und Haftungsausschlüsse.
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Sechstens: Umfang der rechtlichen Bindungswirkung.
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An dieser Stelle beschreiben Sie, welche Teile der Absichtserklärung rechtlich bindend und
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anspruchsbegründend sein sollen und welche nicht.
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Siebtens: Befristung.
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Gerne stiefmütterlich behandelt, aber trotzdem sehr wichtig: Sie sollten grundsätzlich alle
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Ihre transaktionsvorbereitenden Dokumente immer befristen.
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Dabei haben Sie zwei Möglichkeiten: Erstens, eine absolute Befristung, beispielsweise auf
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2 Jahre nach Abschluss des Letter of Intent.
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Das macht insbesondere Sinn bei Wettbewerbs- und Abwerbeverboten.
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Zweitens können Sie aber auch relativ befristen, beispielsweise auf 6 Monate nach Abbruch der
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Verhandlungen.
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Das kann zum Beispiel für Vertraulichkeitsvereinbarungen Sinn machen, damit Ihr Geschäft nicht über
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Gebühr behindert wird, sobald die Gespräche scheitern.
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Und schließlich: Achtens: Boilerplates, also alle üblichen
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Standardklauseln wie anwendbares Recht, Gerichtsstand, Formerfordernisse und Teilunwirksamkeitsregelung.
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Was die Form angeht, wird üblicherweise eine schriftliche Vertragsform gewählt, im internationalen
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Rechtsverkehr auch gerne die Briefform, also ein handgezeichneter Briefwechsel.
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Enthält Ihr Letter of Intent vorvertragliche Regelungen, die direkt oder indirekt auf den
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Abschluss eines beurkundungspflichten Hauptgeschäfts gerichtet sind, kann eine Pflicht zur notariellen
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Beurkundung entstehen; andernfalls droht insoweit Formunwirksamkeit.
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Das sollten Sie speziell bei immobilien-, gesellschafts- und umwandungsrechtlichen Geschäften
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immer mitbedenken.
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Absichtserklärungen und Term Sheets sind also die sprichwörtlichen bunten Hunde der
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Rechtspraxis: Sie tauchen nahezu überall in der Geschäfts- und Transaktionswelt auf,
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lassen sich aber erst nach sehr genauem Hinsehen überhaupt juristisch einordnen.
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Für Sie bedeutet das gleichzeitig eine hohe Flexibilität: Sie können Ihren Letter of
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Intent oder Ihr Term Sheet durch geschicktes Wording in nahezu alles verwandeln, was Sie
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möchten: Von einer offiziell wirkenden bloßen Dokumentation des Verhandlungsstandes, über
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eine Absichtserklärung mit Exklusivität und Break Fee bis hin zur knallharten vorvertraglichen
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Regelung ist vieles möglich.
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Für Rückfragen hierzu erreichen Sie mich wie immer unter meiner Kanzleianschrift, die
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Sie in der Beschreibung zu diesem Video finden.
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In der Zwischenzeit wünsche ich Ihnen alles Gute, genießen Sie den Sommer und bis zum
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nächsten Mal, hier bei Beyond Return.
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[Beyond Return Outro]